Kriegsspiel nach Reißwitz d.J.
Übergang von Wartenburg 3. Oktober 1813
bei der Kriegesschule 1820
Zu den Absichten des Kriegsspiels im Allgemeinen siehe Reißwitz d.J. sowie das Spiel vom letzten Jahre.
Die General-Idee oder das Szenario
Vorgabe für die Preußenpartei war, den gewaltsamen Übergang über die Elbe bei Elster zu erzwingen, den festen Punkt Wartenburg zu gewinnen und noch die
Verfolgung aufzunehmen, sollten die Umstände dies erlauben.
Die Franzosenpartei sollte den Übergang so lange wie möglich aufhalten, und erst beim Eintreffen der Verstärkungen, die am späten Nachmittag oder frühen
Abend aus Torgau eintreffen sollten, zum Gegenangriff überzugehen oder, sollten die Reserven nicht eintreffen, sich zurückzuziehen.
Zum strategischen Hintergrund Anfang Oktober 1813: Das linke Elbufer ist noch nicht in der Hand der Alliierten, so werden lediglich die Festungen Wittenberg
und Torgau rechten Ufers blockiert. Die Nordarmee unternimmt Demonstrationen gegen die Übergangspunkte bei Aken und Roßlau, ca. 4-5 preußische Meilen entfernt. In dem gut einem Tagesmarsch entfernten Torgau liegen
25.000 Mann in Garnison, 20.000 mehr, als für die Verteidigung benötigt werden. Von der kleinen, nur einen halben Tagesmarsch entfernten, Garnison Wittenbergs haben die Alliierten nichts zu fürchten.
Die Absichten des Schiedsrichters
Es sollte nicht das Ziel sein, den Verlauf der historischen Schlacht nachzuvollziehen, sondern das folgende einzuüben:
- Zusammenarbeit im Stabe
- Einsatz der kombinierten Waffen nach v. Decker et al.
- Erkennen der Vor- und Nachteile des Terrains nach Maßgabe der Regeln für Flußübergänge
- Taktische Formationen, besonders Infanterie, nach Maßgabe der Lage
- Die nächste, anspruchsvollere Stufe zum Kriegsspiel zu erklimmen, also ein komplexere General-Idee durchzuspielen
Daher sah der Herr Schiedsrichter einige Ereignisse vor, die zwar nicht im wahren Verlauf der Schlacht vorkamen, die aber den Herren Officiers nachdrücklich
an die Wechselfälle des Krieges erinnern mochten und ihnen entsprechende Dispositionen abverlangten.
Es mögte überdies sein, daß sich der eine oder andere Officier durch seine Umsicht für den Generalstab empfiehlt.
Die Disposition
Die Franzosenpartei erhielt drei Regimenter, 2 ½ Batterien, darunter eine ½ Zwölfpfündige Batterie und eine ½ Haubitzbatterie, eine Pioniercompagnie und ca.
6 Eskadronen leichte Kavallerie. Zur Aufstellung wurde der Raum um Wartenburg und Bleddin hinter den Deichen zugewiesen. Die Pioniere wurden verdeckt auf der Fährinsel „Holzanger“ zwischen Wartenburg und
Schützenberg plaziert, um dort Bäume zu fällen, welche, zu Wasser gebracht, die Pontonbrücken zerstören, mindestens aber den Übergang verzögern sollten. Der kleine Streng vor Wartenburg wurde mit 3 Bataillonen
Infanterie verteidigt. Auf dem freien Terrain des Schützbergs wurde eine halbe Batterie als Reserve platziert. Die leichte Kavallerie wurde dazu bestimmt, über die Fähre bei Schützberg zu gehen und eine Diversion an
der Chaussee zwischen Elster und Jessen zu machen.
Die Alliierten erhielten fünf Regimenter, 4 Batterien, darunter eine ½ Zwölfpfündige Batterie und eine Haubitzbatterie, drei Pioniercompagnien und ca.
20 Eskadronen Kavallerie, die zum Teil noch aus Jessen anmarschieren mußten. In Jessen liegt ein weiteres russisches Armeecorps in Reserve. Das Dorf Elster wurde mit zwei Pontonbrücken als Hauptübergangspunkt
bestimmt, und der Pionierpark mit Bagage wurde hinter dem Dorf Elster platziert. Die 2 Infanterie Regimenter in Begleitung zweier ½ Haubitzbatterien sollte so schnell wie möglich den Feind zurückdrängen und Raum
gegen Bleddin gewinnen.
Die Herren wurden angehalten, sich die Vor- und Nachteile des Terrains genau einzuprägen.
Die Regeln
Die erweiterten Regeln über die Feuerkraft von Artillerie und Infanterie, sowie dem Nahkampf, wurde mit Hilfe neuer Würfel wie in der Reißwitz’schen
Anleitung gespielt (siehe Abbildungen). Zur Vereinfachung für die im Spiel ungeübten Offiziers wurden die Bataillone- und Eskadronen als kleinste Einheiten angenommen, nicht die Sektionen, wie eigentlich von
dem Herrn Premierlieutenant v. Reißwitz vorgesehen. Die Herren dürfen nur unter 1000 Schritt direkt miteinander kommunizieren, bei größeren Distancen wird die schriftliche Anweisung oder Meldung durch den Herrn
Schiedsrichter mit zeitlicher Verzögerung überbracht.
Die Parteien
Der Ingenieurcapitaine L. Blesson übernahm wieder die Rolle des Vertrauten bzw. Schiedsrichters.
Die beiden schriftkundigen Burschen Lukas und Christophe durften die beiderseitigen Verlustlisten führen.
Die Partei der Preußen stellten Oberst v. Loriol als Befehlshaber sowie Major Schluppkothen und Capitaine Brenneisen. Die Planstelle des Ingenieurgenerals
v. Rauch blieb unbesetzt, was sich später als Nachteil erweisen sollte.
Die Franzosenpartei wurde gebildet aus Colonel Chasseur als oberster Befehlshaber, dann die Herren Capitaine Schmidt, Rittmeister Matejka und Capitaine
Schäfer.
Das Spiel
Als Spielzeit wurde der 3. Oktober, von 8 Uhr morgens bis 12 Uhr Mittag festgesetzt.
Der Aufmarsch fand zunächst gedeckt vor den gegnerischen Augen statt.
Die beiden Pontonbrücken wurden preußischerseits eingeschwenkt und sofort begann der Übergang des 1. Regiments, dem die halbe Haubitzbatterie sowie ein
weiteres Regiment folgten. Die feindlichen Vorposten wurden bis auf den kleinen Streng zurückgedrängt, die Evolution im coupierten Terrain erfolgte mitunter in nicht sehr zweckmäßiger Linie.
Der Vormarsch kam etwa in Bogenschußweite am Bruch vor Wartenburg zum Halten. Die Lisière wurde mit Tirailleurs besetzt. Das erste Bataillon, welches an das
Elbufer gelehnt war, erlitt herbe Verluste und mußte sich Unordnung zurückziehen. Obwohl die Sicht durch den Bruchwald behindert war, gelang es der 12-pfündigen Batterie auf dem Weinberg durch einige zufällige
Rollschüsse, eine Halbbatterie der gerade aufgefahrenen pr. Haubitzen zu demontieren. Die verbleibenden pr. Haubitzen taten jedoch beste Wirkung mittels grober Kartätschen gegen die Tirailleurs vor dem kleinen
Streng.
Gegen 12 Uhr war die erste Pontonbrücke von den antreibenden Baumstämmen eingedrückt worden, so daß die Regimenter nur noch auf der verbleibenden Brücke
vorgehen konnten. Die Reparatur der ersten Brücke sollte bis gegen zwei Uhr des Mittags dauern.
Gegen 10 Uhr war es 4 Escadronen der leichten franz. Kavallerie gelungen, mittels Kähnen über die Elbe zwischen Bleddin und Schützberg zu setzen und bei
Gorsdorf die Preußen zu einer Diversion zu zwingen. Die preußischen Vorposten ließen sich zurückdrängen, ohne eine Meldung abzusetzen. Obwohl anfangs in der Überzahl, gelang es den Escadrons nicht, Gorsdorf und den
Übergang über die Schwarze Elster zu besetzen. Eine Attacke auf die in den Gärten gedeckten Tirailleurs brachte zwar herbe Verluste, ebenso der Angriff auf die zahlenmäßig überlegene preußische Reiterei, der
taktische Zweck war jedoch erreicht: ein Aufenthalt der heran marschierenden preußischen Reserven aus Jessen sowie die Ablenkung von den Holzfällerarbeiten der Pioniere am Holzanger.
Ergebnis und Bewertung
Beim Ende des Maneuvre war eine Pattsituation zu verzeichnen, da die Alliierten nicht genügend Einheiten übersetzen konnten und diese auch nicht energisch
genug zum Angriff durch das schwierige Terrain heranführten. Die französische Seite hatte hingegen zwar alle Vorteile des Terrain für sich, hatte aber beinahe alle Reserven eingesetzt, und hätte sich wohl nur bis
zum Abend durch Entsatz der Truppen aus Torgau halten können, andernfalls hätte sie den Rückzug antreten müssen. In jedem Fall wäre auf der alliierten Seite mit bedeutenden Verlusten zu rechnen gewesen.
Empfehlungen
Den Herren Officirs wird weiterhin die intensive Beschäftigung mit der Terrainlehre angeraten, damit sie die Truppen nicht wieder in ungangbare Sümpfe
führen und überhaupt Hindernisse bei der Bewegung der Trouppen besser wahrnehmen möchten, aber auch die Vorteile des Terrains besser zu nutzen wissen. Dazu ist es äußerst vorteilhaft, die Terrainbeschreibung bei
Mirus zu studieren.
Der Vorpostendienst, insbesondere mit der Kavallerie, ist sträflichst vernachlässigt worden, denn nur so war es möglich, daß die Baumstämme, welche die
Pontonbrücke einrissen, nicht rechtzeitig gemeldet werden konnten. Zudem hätte das Dorf Schützberg mit einem preußischen Kavallerieposten besetzt werden müssen. Beide Parteien versäumten es, eine Meldekette der
Vorposten aufzubauen.
Außerdem sind die Pontonniers und ihre Park immer an den Pontonbrücken zu postieren und nicht etwa im Hinterland oder weit ab in einem Dorf, wo sie keinen
Nutzen für die Armee haben können.
Den Herren Offizieren von der leichten Kavallerie wird angeraten, nicht mehr den Heldentot vor den mit Schützen besetzten Dörfern zu suchen, sondern ihrem
eigentlichen Geschäfte, dem Recognoszieren sowie dem kleinen Kriege, ihre ganze Aufmerksamkeit zu widmen.
Alle Herren Officiere, selbst die der Infanterie, die sich zu Höherem berufen fühlen, möchten sich weiter mit der Reichweite und Wirkung der Artillerie
sowie deren taktischer Verwendung beschäftigen. So wurde z.B. seitens der Alliierten versäumt, eine flankierende Batterie für den Brückenkopf stromaufwärts zu platzieren, was vom Leben dann genug gestraft wurde. Die
französische Artillerie in Wartenburg war dagegen gut platziert, wie es eben das Terrain erlaubte, ausgenommen die Batterie auf dem Schützberg vor Bleddin mit dem Wald im Rücken, der im Fall eines Rückzugs
unpassierbar gewesen wäre.
Soweit die unmaßgebliche Meinung des Herrn Schiedsrichters LB, der zu einem gerechten Urteil finden möchte.
(c) Photos und Abbildungen Lukas Fischer, Henrik Schaper, Patrick Köstel, Kersten Kircher und Martin Klöffler
Quellen:
-
R. Mirus, Das Treffen bei Wartenburg den 3. Oktober 1813, Berlin 1863
-
Louis Blesson: Histoire de la Guerre des Alliés contre la France pendant les Années 1813, 1814 et 1815, premier volume, La Guerre en Allemagen en 1813, traduit de
l’Allemand par L. Blesson, Berlin 1821, page 128-129
-
Reiswitz, Georg Heinrich Rudolf: Anleitung zur Darstellung militairischer Manöver mit dem Apparat des Kriegs-Spieles. Berlin, 1824
-
Reiswitz, George Lepold: Taktisches Kriegs-Spiel oder Anleitung zu einer mechanischen Vorrichtung um taktische Manoeuvres sinnlich darzustellen. Berlin, 1812
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