9te Kriegesschule Zeilitzheim
Kriegsspiel Wavre
vom 18ten Juni 1815
Die General-Idee
Nach der Schlacht von Ligny setzt das Armeecorps Grouchy zur Verfolgung der preußischen Hauptarmee Richtung Wavre an.
Die Spezial-Idee oder das Szenario
Die preußische Nachhut bezieht Stellung hinter der Dyle bei Wavre, um die Übergänge zu verteidigen.
Die Absichten des Schiedsrichters
Sind, daß die Herren Offiziers
- Armeebefehl und die wirkliche Situation beurteilen und daraus ihre eigenen Schlußfolgerungen ziehen
- Gedeckte Stellungen und Flußübergänge in Angriff und Verteidigung einzusetzen
- Die Wirkung der Artillerie im coupierten Terrain einschätzen
- Den Gebrauch der verbundenen Waffen einzuüben
Es soll nicht das Ziel sein, den Ablauf der Schlacht exakt nachzuspielen, sondern zu zeigen, daß bestimmte Vorgaben und Konstellationen in dem
vereinfachenden Kriegsspiel dennoch zwangsläufig zum ähnlichen Ergebnis führen können.
Das Terrain
Das sehr hügelige und coupierte Terrain wird von dem sumpfigen Tal des Dyle-Flusses durchschnitten. Die Täler und Bodenfalten bieten sich zum verdeckten
Aufmarsch an. Das nördliche Hochufer der Dyle dominiert das Südufer, und begünstigt somit die Defensive. Die Hauptübergänge bei Wavre und Limelette eignen sich vorzüglich zur Verteidigung als Brückenköpfe. Die
Hauptchaussee von Chateau St. Lambert läuft über Wavre nach Brüssel bzw. Löwen.
Witterung
Das regnerische Wetter der vorangegangenen Nacht hat die Wege und Äcker aufgeweicht, das sumpfige Dyle-Tal und die zuführenden Bachtäler sind unpassierbar
und können nur auf Brücken überschritten werden. Artillerie und Train können sich nur auf den Wegen oder den Plateaus bewegen.
Kartenwerk
Die Manuskript-Karte von Ferraris ca.1: 11.500
Die Disposition
Das von Süden her heranmarschierende frz. Armeecorps (rote Partei) soll die Dyle-Übergänge gewinnen und die preußische Hauptarmee nach Nordosten abdrängen,
weg von der britischen Armee. Dabei ist zu klären, ob man es mit der Hauptarmee, einem einzelnen Corps als Nachhut oder versprengten Resten der Armee zu tun hat, weil sich das Gros auch vermutlich Richtung Namur
abgesetzt haben könnte. Die Aufklärung vermutet die starke preußische Hauptposition bei Wavre, so daß hier nur ein Scheinangriff geführt werden soll, während sich der Hauptangriff auf das vermutlich schwach
verteidigte Limelette richten soll. Dieser Angriff soll auch die Nachhut auf die Rückzugsstraßen nach Löwen / Maastricht abdrängen.
Das preußische Gros geht nach Westen vor. Die preußische Nachhut (blaue Partei) soll die Dyle-Übergänge solange wie möglich halten und sich ggf. in Richtung
der Hauptarmee im Westen, wo die Haupt- und Generalschlacht südlich von Brüssel erwartet wird, absetzen. Die Nachhut soll gleichfalls die Chaussee nach Brüssel / Löwen so lange wie möglich blockieren.
Die Regeln
Sind die nämlichen wie in den vorigen Jahren, nämlich eine vereinfachte Fassung auf Bataillonsebene, jedoch erweitert um:
Diesmal wurden die gewöhnlichen Würfel nach den englischen Regeln verwendet. Die Verlustlisten konnten so wesentlich einfacher und geschwinder von den
Gehilfen geführt werden.
Die Protokollanten kündigten die Zugnummer und die zur Verfügung stehende Zeit an.
Die Parteien
Als französischer Oberkommandierender wurde Colonel Chasseur bestimmt, dem die Capitaines, Vahnenbroeck, Thiele und Schmidt beigegeben wurden.
Preußischerseits erhielt Oberst v. Loriol das Kommando. Dieser wurde von Secondelieutenant Rosenthal und den Majoren Schäfer und Schluppkothen unterstützt.
Oberstlieutenant v. Reiche übernahm den ersten Vertrauten, Capitaine Schaeffer den zweyten Vertrauen.
Insgesamt waren also 8 Akteure sowie 2 Unparteiische mit 2 Gehilfen beteiligt.
Die Vorbereitung
Am Freitagnachmittag erläuterte Oberstlieutenant v. Reiche die Entstehung der Ferraris-Karte und den Gebrauch der Signaturen auf der Manuskriptkarte.
Am Freitagabend erhielten die Oberkommandierenden einen Umschlag mit der Übersichtkarte (Carte orographique 1:86.400), Tagesbefehl und Ordre de Bataille.
Anhand der Manuskriptkarte legte der Unparteiische die Linie der Vorposten fest.
Die Oberkommandieren waren angehalten, die Disposition des nächsten Tages schriftlich einzureichen, doch geschah dies nur mündlich.
Das Spiel
Lage Samstagmorgens
Die Positionen der beiden Parteien sind in der Ordre de Bataille bestimmt.
Das französische Armeecorps (Partei rot) hat sich am Freitagabend um Ottigny konzentriert und die Arrièregarde nordwestlich bei Dion le Val stehen. Train
und Reserve-Artillerie befinden sich bei Cours St. Étienne.
Die preußische Nachhut (Partei blau) konzentrierte sich bei Wavre und ½ Meile auf den Höhenzügen westlich davon - das sind Fromont Ferme und Rosière - um
Kontakt mit dem Gros zu halten. Nieder Wavre (Bas Wavre) wird vom Mont de Stadt beobachtet.
Erste Phase:
Französische Kavallerievorposten der Avantgarde gehen auf Wavre vor und ziehen sich zurück. Ein preußischer Gegenangriff wird auf der Höhe vor Louvrange
zurückgewiesen. Die anfänglich schlechte Position der frz. Artillerie unter Cptn. Thiele wurde eine neue Position in Bogenschußweite vor Wavre verlegt.
Zweite Phase:
Der Vormarsch des franz. Gros erreicht Limelette, welches genommen wird. Die Holzbrücke verlangsamt den Vormarsch. Eine Batterie wird mit Bedeckung auf den
Vorhöhen von Limelette postiert, um den preußische Vormarsch zu beobachten und aufzuhalten.
Der Scheinangriff auf Wavre wird mit Artillerie geführt. Der preußische Kommandeur hat die unglückselige Idee, eine Batterie vor der Vorstadt auf dem
südlichen Ufer zu platzieren. Als die Vorstadt in Brand aufgeht, ist die Batterie verloren. Die franz. Kommandeur verhält sich auch nicht wesentlich geschickter, als er eine Eskadron in die Ortschaft führt, um die
steinerne Brücke zu nehmen. Nachrückende leichte Infanterie kann allerdings die Vorstadt nehmen, so daß den preußischen Pionieren keine Zeit bleibt, die Brücke zu zerstören. Der pr. Kommandierende der
Reserveartillerie versäumt es, das Vorfeld der Vorstadt unter flankierendes Feuer seitens des Nordufers zu nehmen.
Dennoch werden die frz. Truppen vor Wavre in Richtung Detrou de Houx bei Limale gezogen und deren Artillerie eröffnet ein wirksames Flankenfeuer auf die
preußischen Truppen östlich von Limale.
Dritte Phase:
Der preußische Oberkommandierende erhält den Befehl aus dem Hauptquartier, zwei 6 Bataillone an das Gros Richtung Plancenoit abzugeben und die Position bei
Wavre aufzugeben. Der Herr Schiedsrichter konnte bis zum Ende des Spieles keinerlei Maßnahmen beobachten, wie diese Ordre hätte umgesetzt werden sollen: Abbruch des Gefechtes und Rückzug.
Die franz. Vorhut hat den ungedeckten Übergang nordwestlich von Wavre überschritten und trifft die auf die preußische Reserveartillerie und
Reservekavallerie. Der Herr Schiedsrichter unterbricht das Kavallerie-Melee und verordnet beiden Parteien einen Halt. Die pr. Artillerie-Reserve zieht sich ohne jeden wirksamen Einsatz auf der Chaussee nach Löwen
zurück. Das brennende Wavre muß aufgegeben werden.
Die Entscheidung fällt bei den Höhen von Limelette. Das preußische Haupttreffen wird aus Wavre und die Reserve von Fromont Ferme herangezogen. Die
anfängliche Überlegenheit wird nicht ausgenutzt, und die Konzentration der Infanterie in verdeckter Aufstellung wird durch wirksames Feuer der Haubitzen ausgehebelt.
Ergebnis
Ein klarer taktischer Sieg der Franzosen: Als das Gefecht vom Unparteiischen um ca. 4 Uhr nachmittags abgebrochen wurde, hatte die Partei rot die Dyle bei
Limelette überschritten und war in Begriff, die preußischen Einheiten auf die Chaussee zurückzudrängen und damit vom Gros zu trennen. Der Übergang bei Wavre wäre wegen der brennenden Vorstadt auf einige Stunden
nicht nutzbar gewesen. Dies wurde aber durch die Übergänge bei Limelette und Gastuche wettgemacht.
Die preußischen Verluste betrugen laut Tabelle ca. 1200, die der Franzosen ca. 200.
Bewertung
Es sind aus Sicht des Unparteiischen zahlreiche wunderschöne, exemplarische Fehler zu vermelden, die auf ihre Weise belehrend auf die künftigen Kriegsspiele
wirken sollten.
Partei Rot (Franzosen)
Vorposten: Vor Wavre und am Übergang von Gastuche richtig eingesetzt.
Artillerie: Vor Wavre nicht optimal genutzt. Wenn möglich, ist Konter-Batterie-Feuer zu vermeiden. Lobend muß der Einsatz der Haubitzen vor Limelette
erwähnt werden.
Infanterie: Nach den Regeln und dem Stand des taktischen Wissens eingesetzt.
Kavallerie: Im Allgemeinen richtig eingesetzt, bis auf das Melee zwischen Wavre und Ottenbourg in der 3. Phase.
Verbundene Waffen: Verbesserungsbedürftig. Ein Angriff auf eine Ortschaft wie die Vorstadt von Wavre wird mit Infanterie geführt, die von Artillerie
unterstützt wird. Ein Angriff mit der Kavallerie ist unsinnig.
Partei Blau (Preußen)
Operativ: Der zögerliche Gegenangriff auf den Höhen über Limelette war DER Kardinalfehler schlechthin. Anstatt nun sofort die anfangs schwachen frz.
Positionen anzugreifen, wurde die Infanterie im Tal gesammelt und bot beste Ziele für eine Haubitzbatterie, was herbe Einbußen bedeutete. Es erschließt sich dem Unparteiischen nicht, warum überhaupt ein Angriff
wider den Befehl geführt wurde, da die Übergänge der Dyle nur hinhaltend verteidigt werden sollten. Die hohen Verluste sind durch taktisch falschen Einsatz zu erklären.
Vorposten: Wie immer vernachlässigt, besonders bei Wavre.
Infanterie: Im Allgemeinen nach den taktischen Erfordernissen eingesetzt. Als besonders unsinnig ist der Heldentod der Tirailleurs beim Frontalangriff auf
eine Batterie zu vermelden. Des Weiteren war die haltende Infanterie bei Limelette dem Artilleriefeuer ausgesetzt.
Kavallerie: An der rechten Flanke nur für vereinzelte Aktionen eingesetzt. Hinter Wavre wurde die Reserve-Kavallerie in unsinnigen Attacken aufgerieben.
Artillerie: Nicht richtig verwendet, besonders bei der Verteidigung von Wavre. Hier hätte sich die tausendfach aus Lehrbüchern bekannte, bei dem Kriegsspiel
Wartenberg auch praktizierte, flankierende Stellung bewähren können. Die Platzierung einer Batterie im Vorfeld von Wavre war die schlechteste aller Möglichkeiten und mußte zwangsläufig zum Verlust der gesamten
Batterie führen. Des Weiteren wurden die Batterien bei Limelette nicht für die Vorbereitung des Angriffs verwendet, sie waren zu zerstreut und in zu großer Entfernung des nicht sehr wirksamen Bogenschusses
aufgefahren. Wer angreift, geht auf Kernschußweite heran und konzentriert die Batterien auf einen Punkt!
Verbundene Waffen: Der Angriff der Reservekavallerie wurde nicht durch die berittene Artillerie unterstützt und war dadurch zum Scheitern verurteilt.
Wie in den Vorjahren, möchte der Herr Schiedsrichter allen Officiers immer und stets auf das Allerlebhafteste empfehlen, sich auch mit den anderen
Truppengattungen vertraut zu machen. Die Kavallerie ist das Auge der Armee!
Verbesserungen des Spieles
Die Truppensteine müssen eine besser lesbare Nummerierung erhalten.
Das nächste Kriegsspiel soll sich mehr auf die taktische Ebene der Sektionen konzentrieren.
Soweit die unmaßgebliche Meinung des Herrn Vertrauten.
Quellen
Reißwitz siehe vorige Kriegsspiele
Belagerung von Torgau 1813
Übergang bei Wartenburg 1813
Übergang bei Volkach 1811
Leipzig 1813
Mühlberg 1813
(c) Photos: Martin Klöffler, Robert Schlenker, Christian Vogel, Friedrich-Wilhelm Yorck de Terra
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