Rollen
Für die historische Darstellung ist es für mich, meine Mitspieler und die Zuschauer spannender, in die Rolle einer historischen Person zu schlüpfen, die als
Zeitzeuge
(engl. First Person) in gedachten historischen Situation agieren kann. Dabei kann die dargestellte Persönlichkeit völlig fiktiv sein, in Teilen aus mehreren historische Persönlichkeit zusammengesetzt sein oder eine wirkliche historische Persönlichkeit darstellen. Voraussetzung ist in jedem Fall eine wissenschaftlich fundierte Recherche über Lebenslauf, Berufsbild, Fertigkeiten, zeitgen. Sprache, gesellschaftliches Umfeld und die passende materielle Ausstattung, also Bekleidung und Accessoires. Bei voll ausgearbeiteten Rollen ist deshalb Alles von der Wiege bis zur Bahre ausgearbeitet und entsprechend dokumentiert. Bei Rollen, die nur auf eine Szene zugeschnitten sind, genügt es, wenige Eckdaten festzumachen und die historische Situation zu skizzieren. Die Rolle als Zeitzeuge kann zum einen bei
Vorführungen mit Zuschauern, andrerseits auch als spontanes Rollenspiel der gespielten Geschichte (Living History) angewendet werden.
Da die dargestellte Rolle und die gedachte Szene immer nur eine Annäherung an eine historische Wirklichkeit sein können, spreche ich von historischer
Interpretation.
Im Umgang mit Zuschauern muß ich meine Rolle als Zeitzeuge zwangsläufig verlassen, um bestimmte Sachverhalte zu erklären, also in der dritten Person
(eng. third person) handeln. In der dritten Person kann ich eine moderne Sprache
reden, die jeder versteht, während historischer Sprachgebrauch viele Tücken hat, sei es, daß das Wort seine andere Bedeutung gewandelt hat, oder daß Begriffe schlicht heute nicht mehr verstanden werden. Dazu kommen noch die Dialekte... Wer wendet heute noch “sich delibrieren”, “jeuen” oder “chargiren” an?
Die Interpretation als Zeitzeuge hat weitere Klippen: Beispielsweise hätte ein Zeitgenosse niemals seine Kleidung
erläutert, da ja seine Zeitgenossen den Stand richtig einschätzen konnten. Niemand hätte sich über einen Zweispitz bei einem Offizier gewundert, da dies damals ein Bekleidungsstück des Alltags war, im Gegenteil man hätte es für bemerkenswert oder anstößig gefunden, wenn dieser gefehlt hätte. .Die Kleidung in einer Ständegesellschaft im 18. und 19. Jahrhundert, besonders bei Militairs und Beamten, war immer eine Aussage über den staatliche Zugehörigkeit, den Rang bzw. Stand und die Funktion. Ein weiteres Anliegen der historischen Interpretation ist es deshalb, die früheren gesellschaftlichen Hierarchien durch Kleidung und Verhalten deutlich zu machen. Kleidung ist also wie ein offenes Bilderbuch, dessen Formensprache man nur richtig interpretieren muß.
In der Praxis hat sich eine Mischform von Zeitzeuge und Dritter Person im Umgang mit den Zuschauern bewährt.
Bei versierten Mitspielern kann ich durchaus im spontanen Rollenspiel
über mehrere Stunden hinweg in meiner Rolle als Zeitzeuge verbleiben, beispielsweise bei unsere Aktivitäten in Freilichtmuseen oder in der Kriegsschule. Dieser Ansatz des spontanen Rollenspiels ist auch von LARP (Live active role play) bekannt, bewegt sich bei der lebendigen Geschichtsdarstellung (engl. Living History) aber immer auf einer soliden historische Basis.
Sie sehen also, daß die historische Interpretation weit über die bloße Rekonstruktion von Technikgeschichte hinausgeht.
In nebenstehender Galerie sehen Sie einige Rollen, die ich bei Living-History-Veranstaltungen oder bei Rollenspielen übernommen habe. Ich überlasse es dem
geneigten Leser, herauszufinden welches die historischen oder fiktiven Persönlichkeiten sind!
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